Politik als Volkshochschule: „Die dicken Leute in Amerika“
Von KLAUS KELLE
Vorst – Es war Politik, wie sie sein sollte. An einem späten Mittwochnachmittag kamen 70 Bürger in ein Dorfgasthaus, um sich über den Stand der Verhandlungen des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP zu informieren. Das ist nämlich angeblich nicht nur ganz geheim, sondern auch ganz böse. Chlorhühnchen und Gen-Rindersteaks, Sie wissen schon…
Als fachkundigen Gast hatte die Mittelstandsvereinigung MIT der CDU den Bundestagsabgeordneten Prof. Heribert Hirte aus Köln eingeladen, der so gar nicht den Vorurteilen entspricht, die man in Deutschland gegenüber Politikern hatte. Hirte ist kein Sprücheklopfer, eher ein….ja, Professor, der in fast zwei Stunden Punkt für Punkt abarbeitete, warum es überhaupt Freihandelsabkommen geben muss („Es gab eine Zeit, wo italienische Nudeln in Deutschland als ungesund galten“), warum die medial aufgepimpten „Leaks“ von Greenpeace völlig belanglos sind („war alles schon bekannt“) und warum Verträge zwischen Staaten erst einmal hinter verschlossenen Türen verhandelt werden („Normalfall“) und die gewählten Vertreter des deutschen Volkes dennoch wissen, um was es geht („Ich war auch in einem dieser geheimen Räume“).
Ich habe gestern Abend in zwei Stunden mehr über TTIP gelernt als aus Dutzenden Zeitungsartikeln und zahlreichen Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Völlig unaufgeregt, sachlich und mit Fakten. Warum es die Verbraucher sind, die vom weltweiten Handel profitieren. Und warum die westlichen Länder in einer globalen Konkurrenzsituation mit China sind. „Wenn wir uns nicht zusammensetzen und einigen, werden die Chinesen mit ihren riesigen Mengen an Waren, die sie in die Märkte bringen, die rechtlichen Standards weltweit bestimmen.“ Das leuchtet ein.
Dann ist das Volk dran – Fragerunde. Im ländlichen Raum geht es vorwiegend um die Agrarwirtschaft. Müssen wir demnächst genmanipulierte Rindersteaks aus den USA essen? Nein, müssen wir nicht. Bringt TTIP nur den Großkonzernen Vorteile? Nein, im Gegenteil, denn die großen Milliardenkonzerne brauchen kein TTIP, um sich Zugang zum amerikanischen Markt zu verschaffen. Aber der agile deutsche Mittelstand wird deine Fülle neuer Chancen haben, wenn TTIP zwischen den Vereinigten Staaten und den EU-Ländern beschlossen wird. Und die Schiedsgerichte? Gibt es in vielen Bereichen ja auch heute schon. „Schiedsgerichte beruhen auf dem Prinzip privater Entscheidungen zwischen beiden Parteien“, erklärt Hirte und eindringlich weiter: „Wir brauchen eine zwischenstaatliche Institution, die das Völkerrecht auslegt.“
Ein älterer Herr glaubt nicht, dass die gesundheitlichen Standards in den USA so hoch sind, wie hierzulande. Er hat im Fernsehen gesehen, dass „in Amerika so viele dicke Leute herumlaufen“. Ein anderer hat Vertrauen zu den Verhandlungsführern aus Europa und den USA, dass die ihre Arbeit ordentlich machen. Aber: „Wenn der Trump Präsident wird, traue ich dem zu, dass er alles mit einem Handschlag vom Tisch wischt.“ Volkes Stimme ist erbarmungslos…
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