Eine liberale Lehrstunde über Steuer-Paradiese, EU und freien Handel
von KLAUS KELLE
Düsseldorf – Erinnern Sie sich noch, als die „Panama-Papers“ veröffentlicht wurden? Ich weiß es noch genau, an dem Abend saß ich zufällig vorm Fernseher und schaute die ARD-Tagesthemen. Ein gigantische Netzwerk von tausenden Steuerhinterziehern weltweit war aufgeflogen, so hieß es. Und das Zentrum war Panama, 3,8 Millionen Einwohnern, neben Costa Rica in Mittelamerika. In unseren Breitengraden ist Panama weiten Bevölkerungsschichten durch den Panama-Kanal und das Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“ von Janosch bekannt.
Gestern Abend hatte die FDP-nahe Friedrich-Neumann-Stiftung unter genau diesem Titel mit einer kleinen Änderung in den Düsseldorfer Wirtschaftsclub eingeladen: „Oh wie schön WAR Panama“. Über die Folgen der Offshore-Enthüllungen für die Euroäische Union referierte der Europaabgeordnete Michael Theurer (FDP, Foto). Was tun gegen Steuersparmodelle mit Briefkastenfirmen – so lautet das Thema. Und der Schaden für die betroffenen Staaten ist enorm. Eine Billion Dollar weltweit, so schätzen Experten die Steuerverluste weltweit durch diese Art von Steueroptimierung. Und wenn auch Panama derzeit im Zentrum des Interesses steht, so gibt es die berüchtigten Steuer-Paradiese auch in der unmittelbaren Nähe. Theurer erwies sich als überaus sachlicher Kenner der Materie. Wussten Sie, dass Gibraltar zwar zur Großbritannien gehört, in Steuerfragen aber völlig autonom vom Mutterland ist? Die britische Enklave an der Südspitze Spaniens hat 30.000 Einwohner und 16.000 Firmensitze…. „Da stellt sich schon die Frage nach der unternehmnerischen Substanz“, fügte der liberale Politiker süffisant an.
Was ist die Antwort der EU auf die Enthüllungen aus Panama und die Entwicklung in einem Binnenmarkt mit garantierter Freiheit des Kapitalverkehrs? Genau weiß es offenbar noch niemand, aber unzweifelhaft bemüht sich die EU um Lösungen, wenngleich sich alle paar Wochen neue Probleme anbahnen. Den Brexit, zum Beispiel, also das Ergebnis der Volksabstimmung in Großbritannien, das ergab, dass eine Mehrheit der Briten raus aus der EU wollen. Aber was, wenn Nordirland und Schottland jetzt aus dem Vereinigten Königreich aussteigen und sich der EU anschließen wollen? Was, wenn Großbritannien nach dem Brexit zu einer einzigen großen Steueroase wird?
Alles hängt mit allem zusammen, und Michael Theurer machte keinen Hehl daraus, dass er ein überzeugter Europäer ist. Und einer, der nicht nur überzeugt ist, sondern der auch vermag, andere zu überzeugen. „Die EU ist ein Club der Freiwilligen. Wenn einer gehen will, denn geht er eben“, stellte der Abgeordnete klar. Überhaupt, dieses Gerede von diesem undemokratischen Gebilde EU, von der „EUdssr“ sei völliger Quatsch. „Aus der Sowjetunion konnte keiner austreten. Da gab es keine Rechtsstaatlichkeit“, redete sich der Gast überzeugend in Rage. Und Brexit hin oder her – die Briten bleiben auch in Zukunft Partner und Freunde mit den EU-Ländern.
Schließlich – alles hängt ja mit allem zusammen – wurde auch das heiß diskutierte Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU noch zum Thema. Da werde ja in Deutschland gern allgemein „der Teufel an die Wand gemalt“. Und dann erzählte Theurer die Geschichte vom Freihandelsabkommen mit Südkorea, wo die Gegner prophezeit hätten, dass besonders die deutsche Autoindustrie darunter leiden werde. Nachdem das Freihandelsabkommen beschlossen worden war, sei der Handel deutscher Unternehmen mit Südkorea um 30 Prozent gewachsen. Zehntausende deutsche Autos werden seitdem alljährlich nach Südkorea verkauft. Freier Handel ist immer gut, schloß Theurer, und ich fand das überzeugend.
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