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Im Auftrag des Herrn unterwegs: Wie Herr Liebherr mal auf 100 Millionen verzichtete

von KLAUS KELLE

MEERBUSCH – Erstaunlich viele deutsche Großunternehmer und Top-Manager sind tiefgläubige Christen. Bekannt ist vielen die Familie Brenninkmeijer, denen der Textilkonzern C&A gehört. Der Familienclan (ca. 20 Milliarden Euro schwer) ist streng katholisch, traditions- und familienbewusst. „Wer sich scheiden lässt, wird geächtet“, so beschrieb jüngst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ die innerfamiliären Sitten dort.

Karl und Theo Albrecht, Gründer der weltweit erfolgreichen Handelskette aldi (Vermögen geschätzt 31 Milliarden Euro), ließen Zeit ihres Lebens keinen Sonntag aus, um die Heilige Messe in ihrer katholischen Gemeinde in einem Essener Stadtteil zu feiern. Und der frühere Top-Manager des Medienriesen Bertelsmann, Thomas Middelhoff, der später als Boss den Arcandor-Konzern in die Insolvenz führte, fiel mir vor vielen Jahren in einem „stern“-Interview auf. Da erzählte er seinen Tagesablauf und beschrieb, wie er jede freie Minute seines Tages zwischen Terminen und Meetings nutzte, um sich kurz an Gott zu wenden und ein Gebet zu sprechen. Eineinhalb Jahre musste er später wegen Untreue und Steuerhinterziehung in einer Zelle in der JVA Essen sitzen, schrieb ein wirklich bewegendes Buch („A115 – Der Absturz“) und sagt heute in Interviews: „Ich danke Gott, dass er mich ins Gefängnis geführt hat.“ Und natürlich sind Top-Manager nicht nur katholisch, sondern es gibt neben Schuh-Deichmann noch viele weitere klangvolle Namen unter den evangelischen Unternehmensgründern.

Faszinierend oder? Für uns normale Bürger kaum vorstellbar, dass solche ungewöhnlichen Menschen, die über Geld (und damit Macht), Limousinen, Villen in St. Tropez, Luxusyachten und Geschäftsflugzeuge verfügen, letztlich sagen: Nichts ist so wichtig, wie der Glaube an Gott.

Hubert Liebherr (68) war gestern Abend extra aus der Schweiz angereist, um einem Publikum im Pfarrsaal der Gemeinde St. Mauritius – bis auf den letzten Platz besetzt – aus seinem Leben zu erzählen. Geboren als jüngster von fünf Kindern wuchs er in die Baumaschinenkonzern seines Vaters hinein, für den heute 46.000 Mitarbeiter rund um den Erdball arbeiten. Liebherr war in jungen Jahren alles andere als ein gläubiger Mann. Geboren in eine Familie, in der die Mutter den katholischen Glauben mit dem regelmäßigen Tischgebet wach hielt. Er erzählte sehr offen von seiner Studentenzeit in Heidelberg, von den Studentenunruhen der sechziger Jahre, die im Grunde „eine Auflehnung gegen jegliche bisherige Ordnung“ gewesen sei. „Im Rückblick distanziere ich mich von dieser Zeit“, bekennt Liebherr heute und beschreibt die 68er-Bewegung als einen Ausdruck von „Arroganz, Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit“ der Protagonisten.

Das schnell wachsende Familienunternehmen schickte den jungen Hubert nach dem Studium bald im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste: nach Algerien für vier Jahre. Dort leitete er den Aufbau einer Fabrik, plante, richtete ein und lernte. Nichts faszinierte ihn so sehr wie die Nächte in der Wüste Sahara, wo er abends auf dem Rücken lag und in den Himmel schaute. „Weil die Luft klarer ist, sieht man dort unendlich mehr Sterne als hier“, schwärmt er auch heute noch von dieser Zeit. Und erstmals habe sich da eine Frage in seinem Kopf geformt: Wo kommt das eigentlich alles her?

Es war ein Autounfall 1981, der für Hubertus Liebherr eine radikale Wende seines bisherigen Lebens einleitete. Die wurde konkret, als sein Freund Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, Urenkel des berühmten gleichnahmigen Grafen, der Luftschiffe baute, ihn zu einer Reise in den portugiesischen Marienwallfahrtsort Fatima einludt. Liebherr ließ sich anstecken von der Marienfrömmigkeit dort, doch es sollte nur eine Zwischenstation auf seinem Weg zu Gott sein. Nach einer Pilgerreise nach Medjugorje 1987, einen Ort im Südwesten von Bosnien und Herzegowina, in dem angeblich immer wieder die Mutter Gottes erschienen sei (von der Katholischen Kirche nicht anerkannt), hatte Liebherr ein so intensives „dreiminütiges Gotteserlebnis“, wie er selbst sagt, dass er die radikale Wende vollzog. Im Jahr darauf, verzichtete er formal auf seinen Erbanspruch und gab seinen Anteil am Familienkonzern – damals ca. 100 Millionen Euro wert – zurück. Nun reist er umher, um Menschen seine Geschichte zu erzählen und sie in den Bann zu ziehen – so wie gestern Abend in Meerbusch.

Bildquellen (Titel/Herkunft)

  • Hubert_Liebherr: andrea heck

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