Jens Spahn (CDU): „Ich beobachte besorgt, wie Kassenärztliche Vereinigungen agieren“
Düsseldorf – Bei den niedergelassenen Fachärzten in Nordrhein-Westfalen brodelt es. Die Mediziner warnen vor einem Praxis-Sterben auf dem Land, vor allem aber vor einer schlechteren Versorgung für die Kassenpatienten an Rhein und Ruhr. Zuletzt hatte der Ärzteverband orthonet-NRW Kritik an einem gesundheitspolitischen Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geübt. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, antwortet seinen Kritikern im Gespräch mit NRW.jetzt.
Herr Spahn, ein aktuelles Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Gesundheitspolitik sorgt bei Fachärzten in NRW für Unmut. Der Fachverband orthonet nennt es „extrem gefährlich“ für Patienten, wenn zum Beispiel Physiotherapeuten ohne entsprechende Ausbildung und ärztliche Begleitung Diagnostik betreiben dürfen. Was entgegnen Sie auf solche Kritik?
Die Fachärzte in NRW kann ich beruhigen: Der Direktzugang beispielsweise zu Physiotherapeuten wurde und wird bereits in mehreren Modellvorhaben getestet und ausgewertet. Auf Basis dieser Erfahrungen und unseres Positionspapiers werden wir die weiteren Schritte in aller Ruhe besprechen. Vorstellbar ist im ersten Schritt, eine Blankoverordnung einzuführen. Auch diese wird bis Ende 2015 in einem Modell getestet. Wir wollen also nichts überstürzen, sondern uns genau anschauen, wie wir zu einer besseren Qualität kommen und gleichzeitig die Ärzte auch sinnvoll entlasten können. Aber etwas mehr konstruktive Mitarbeit der Ärzte wünsche ich mir da schon.
Warum wollen Sie, will die Union überhaupt in diesem Bereich etwas ändern? Besteht überhaupt eine Notwendigkeit zu solchen Reformen, wo es doch eine Menge aktueller „Baustellen“ gibt?
Der Koalitionsvertrag gibt ganz klar die Richtung bis 2017 vor. Von der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Qualität im Gesundheitswesen, Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörige haben wir schon vieles umgesetzt. Mit dem zweiten Gesetz zur Stärkung der Versorgung vor Ort und dem Präventionsgesetz schaffen wir noch dieses Jahr weitere Verbesserungen. Aber die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten, sind dabei ein Dauerbrenner. Was ist am besten für den Patienten und wie setzen wir vorhandenes Wissen und Ressourcen möglichst effizient ein, das ist die entscheidende Frage.
In NRW hat es zuletzt massive Proteste von verschiedenen Facharztgruppen gegeben. Im Kern geht es darum, dass Praxen mit einem hohen Anteil an Kassenpatienten aufgrund der sinkenden Honorarzuweisungen seitens der Kassen kaum noch wirtschaftlich zu führen sind. Nehmen Sie solche Kritik ernst?
Das nehme ich sehr ernst und beobachte gleichzeitig besorgt, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen agieren. Sie sind nämlich für die Verteilung der Gelder verantwortlich. Wir haben in der Vergangenheit – und auch jetzt mit dem Versorgungsstärkungsgesetz – dafür gesorgt, dass das Honorarvolumen stetig wächst und dass es einen Rahmen für eine möglichst gerechte Verteilung gibt. Aber letztendlich muss man sich schon entscheiden, ob die Ausgestaltung unserer Gesundheitsversorgung von oben herab durch die Politik erfolgen soll oder durch die Selbstverwaltungspartner vor Ort. Auch wenn die Kritik an konkrete Verteilungsproblemen teils berechtigt ist, ist und bleibt die KV vor Ort da der entscheidende Ansprechpartner und Entscheider.
In manchen Teilen des Landes gibt es eine ärztliche Überversorgung, in anderen Bereichen droht zumindest bei niedergelassenen Fachärzten ein für die Patienten spürbares Praxis-Sterben. Hat die Politik keine Mittel gegen diese Entwicklung?
Wir kennen die Probleme der Versorgung, insbesondere auf dem Land. Diese sind jedoch nicht mit einem Allheilmittel zu lösen, die Ursachen sind vielfältig. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode reagiert und tun dies auch weiter, z. B. mit dem Versorgungsstärkungsgesetz, das wir bald verabschieden werden. Da braucht es einen Instrumentenkasten kleiner und großer Maßnahmen. Auf jeden Fall ist eine qualitativ gute und schnell erreichbare Versorgung aller Patientinnen und Patienten unsere oberste Priorität.
Warum sind die Zuweisungen der Kassenärztlichen Vereinigungen regional eigentlich so unterschiedlich? Oder anders gefragt: Wieso bekommen niedergelassene Fachärzte in Bayern mehr für die gleiche Leistung als ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen?
Regionale Vergütungsunterschiede sind in der Regel historisch begründet und liegen in den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen vor Ort und im tatsächlichen Versorgungsgeschehen. Wir sind gerade dabei, ein Teil der Unterschiede per Gesetz auszugleichen.
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