„Düsseldorf ist von einer steigenden Anzahl an Insolvenzen betroffen“
Georg F. Kreplin ist Rechtsanwalt, Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter und namensgebender Partner der Düsseldorfer Kanzlei Kreplin & Partner (www.kreplin-partner.de), die überörtlich in der Sanierungsberatung und Insolvenzverwaltung tätig ist. Er spricht im Interview über die Entwicklung bei den Unternehmensinsolvenzen, die Tendenzen und die Möglichkeiten für Unternehmer in der Krise.
Herr Kreplin, in der Vergangenheit war immer wieder zu hören, dass es vergleichsweise wenige Unternehmensinsolvenzen gegeben hätte. Können Sie das bestätigen?
Georg F. Kreplin: Grundsätzlich ja. Das Jahr 2015 war im Allgemeinen wirtschaftlich erfolgreich, und die Zahl der Unternehmensinsolvenzen lag deutschlandweit auf dem niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Creditreform betont, dass 2015 23.230 Unternehmen Insolvenz anmelden mussten, 2014 seien es noch 24.030 gewesen. Der Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen hat sich mit drei Prozent aber deutlich verlangsamt, im Jahr zuvor waren es acht Prozent weniger. In Teilbereichen ist sogar wieder ein ansteigender Trend erkennbar. Das gilt zum Beispiel für das Verarbeitende Gewerbe oder die Bauwirtschaft.
Wie sieht es denn in Nordrhein-Westfalen im Speziellen aus?
Georg F. Kreplin: Das Bundesland unterscheidet sich in der Tendenz nicht von den Ergebnissen bundesweit. Erstaunlich ist aber, dass wir regionale starke Unterschiede sehen. So ist die Region Düsseldorf-Neuss, eigentlich ein starker Wirtschaftsstandort, von einer steigenden Anzahl an Unternehmensinsolvenzen betroffen.
Können Sie Zahlen dazu nennen?
Georg F. Kreplin: Nach aktuellen Untersuchungen von Creditreform sind die Insolvenzen von Unternehmen in Düsseldorf im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent auf 426 Fälle und im Rhein-Kreis Neuss um 5,1 Prozent auf 228 Fälle gestiegen.
Ist das für Sie ein Indikator für einen sich wandelnden Trend?
Georg F. Kreplin: Es ist schwierig, aus den Zahlen des Vorjahres auf die weitere Entwicklung bei den Unternehmensinsolvenzen zu schließen. Kurzfristig wird sich der Trend rückläufiger Insolvenzen nach meiner Einschätzung verfestigen. Ich gehe aber tatsächlich davon aus, dass die verhältnismäßig niedrigen Zahlen mittelfristig wohl nicht mehr zu halten sein werden. Das liegt unter anderem daran, dass wir in einer zunehmend globalisierten Welt leben und Schwankungen an den internationalen Märkten oder geopolitische Probleme schnell zu Verwerfungen in der heimischen Wirtschaft führen können. Das haben wir bei den Russland-Sanktionen gesehen, die auch den Mittelstand getroffen haben, das haben wir bei den Korrekturen im chinesischen Aktienmarkt gesehen. Zudem ist zu beobachten, dass die Zahlungsmoral häufig niedrig ist. Das führt dann in einem ohnehin wirtschaftlich angespannten Umfeld schnell zu größeren Problemen.
Aber es muss doch nicht jedes ökonomische Problem gleich zur Insolvenz führen, oder?
Georg F. Kreplin: Nein, das ist natürlich nicht der Fall. Jedes Unternehmen kann einmal in einer temporär schwierigen Situation sein. Wichtig ist, dass Geschäftsführer und Eigentümer erkennen, wann sich diese Situation zu einem ernsten, langfristigen Problem entwickeln kann. Dann müssen sie entgegensteuern, beispielsweise durch eine vorinsolvenzliche Sanierungsberatung. Das kann häufig Schlimmeres verhindern, dann ist die Krise nicht das Ende, sondern die Chance auf einen Neuanfang. Zudem ist es für Unternehmer wichtig, die Möglichkeiten zu kennen, die die Insolvenzordnung als Sanierungsinstrument bietet, zum Beispiel im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens nach dem ESUG.
Welche wären das?
Georg F. Kreplin: Mit dem ESUG wird die Sanierung und Fortführung des notleidenden Unternehmens unter der Leitung des bisherigen Eigentümers und im Rahmen eines sogenannten „eigenverwaltenden Schutzschirmverfahrens“ ermöglicht. Die Praxis zeigt hohe Sanierungsquoten in ESUG-Verfahren.
Was raten Sie Unternehmern in einer Krise?
Georg F. Kreplin: Vor allem eines: nicht verzagen, sondern sich frühzeitig kümmern. Der Faktor Zeit ist entscheidend, denn wenn es bereits kurz nach 12 ist, wird eine Rettung schwierig. Eine Krise ist keine Schande, Unternehmer müssen dann Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit einem versierten Spezialisten die notwendigen Schritte einleiten – auch wenn es schmerzt.
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- Kreplin & Partner Georg Kreplin: Kreplin & Partner