Wenn sogar bei der katholischen Kirche “Familie” und “Heterosexualität” schweigt
DÜSSELDORF – Wenn es um die Aufklärung der eigenen Kinder über Sexualität geht, fühlen sich viele Eltern überfordert. Die meisten vertrauen dem Staat, dass die Lehrer es in den Grundschulen schon richten werden. Doch auch dieses Grundvertrauen bröckelt zusehens. Bleibt der letzte Anker: die christlichen Kirchen. Vielen Bürgern erscheint dass, als würde man den Bock zum Gärtner machen. Wegen der zunehmenden Unzufriedenheit vieler Eltern inzwischen auch an der katholischen Kirche, hat sich der Elternverein NRW nun direkt an die Deutsche Bischofskonferenz gewandt. Darüber sprachen wir mit der Vorsitzenden Andrea Heck.
Frau Heck, der Elternverein NRW hat sich in einem besorgen Brief an die katholische Bischofskonferenz gewandt. Sie bemängeln, dass das Thema Aufklärung und sexueller Missbrauch dort falsch angefasst wird. Was konkret stört Sie?
Die Diskussion über Prävention sexuellen Missbrauchs ist dringend notwendig, und es ist gut, dass sich die Kirche bemüht, die sexuelle Bildung innerhalb von kirchlichen Einrichtungen unter die Lupe zu nehmen. Aber ein Positionspapier, das Millionen von Kindern und schutzbedürftige Erwachsene betrifft, darf sich auf keinen Fall auf Experten wie Uwe Sielert berufen, die einen Pädophilie-nahen Ansatz haben, weil sie davon ausgehen, dass Kinder schon sexuelle Bedürfnisse haben, die befriedigt werden sollten und, wo nötig, sogar stimuliert.
Die katholische Kirche behauptet, dass sie jetzt, wo die schweren Missbrauchsfälle an Kindern bekannt sind, alles unternimmt, dass sich so etwas wie in der Vergangenheit nicht wiederholt? Wie ist Ihr Eindruck?
Mein Eindruck ist, dass sich die Bischöfe tatsächlich sehr bemühen, weswegen es ja in jeder Diözese auch inzwischen Präventionsbeauftragte und -programme gibt. Das von uns kritisierte, einstimmig verabschiedete, Positionspapier der Bundeskonferenz der Präventionsbeauftragten vertritt jedoch ein Verständnis von sexueller Bildung, das wir, wegen seiner Grundannahmen bezüglich der Sexualität von Kindern ablehnen. Außerdem geht es der Konferenz primär um die Zusammenhänge von Gewalt, Sexualität und Macht, was grundsätzlich richtig ist.
Wenn jedoch Begriffe wie Familie, Liebe, Verantwortung, Achtung entgegenbringen oder Bindung nicht vorkommen, dann stimmt uns das skeptisch. Denn Uwe Sielert ist zum Beispiel der Auffassung, dass man „Familiarität, Heterosexualität und Generativität ent- naturalisieren sollte” Ein solches Programm ist geradezu ein Präventionsprogramm vor genau dem Glück, das Kinder und Jugendliche sich in ihrer großen Mehrheit wünschen: eine auf Dauer angelegte Bindung zwischen Mann und Frau und eigene Kinder.
In der Jugend- und Kinderarbeit sollte gerade die katholische Kirche Maßstäbe setzen bei Büchern und Lehrmaterialien. Wie ist Ihre praktische Erfahrung da?
Meine Erfahrung ist, dass wir Eltern immer nachfragen sollten, wie und mit welchen Materialien unsere Kinder in der Schule aufgeklärt werden. Sexualerziehung ist nicht ein Fach wie Mathematik oder Englisch. Sie betrifft den ganzen Menschen. Sie muss deshalb altersensibel sein und am besten von der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer als Bezugsperson erteilt werden und nicht von externen Beratern.
Wollen Sie einfach nur protestieren oder hoffen Sie, dass mit Ihrem Brief ein Diskussionsprozess in Gang kommt mit den Bischöfen?
Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns dazu äußern. Sexualerziehung ist unbedingt wichtig und notwendig! Das christliche Menschenbild geht davon aus, dass wir eine Einheit von Körper und Seele sind. Das sollte unbedingt erkennbar sein in einem Positionspapier der Kirche. Zitate von Foucoult über Macht und Sexualität haben da nichts verloren, gerade auch deshalb, weil er nun unter den Verdacht steht, Kinder sexuell missbraucht zu haben. Das ganze Papier muss überdacht werden!
Bildquellen (Titel/Herkunft)
- Andrea_Heck_Elternverein_NRW: andrea heck