Wirtschaft, Politik und Leben in Nordrhein-Westfalen

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Wahlbeteiligung hängt von der Relevanz einer Wahl ab

Von KLAUS KELLE

Stell‘ Dir vor, es sind Bürgermeisterwahlen…und keiner geht hin! In Nordrhein-Westfalen fanden heute Stichwahlen in 49 Städten und Landkreisen statt. Es ging nicht um „unseren Kandidaten vor Ort“, es ging nicht um Parteien und politische Mehrheiten, es ging um Verwaltungschefs. (Ober-)Bürgermeister und Landräte werden bei solchen Wahlen, losgelöst von den Abstimmungen für die politischen Gremien, bestimmt, und vielerorts ging nicht einmal jeder Dritte an die Urne, um ein Kreuz beizusteuern. Nun hören und lesen wir bereits erste Kommentare über die Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit im Land. Und auch mancher „Systemkritiker“ wittert Morgenluft. Steht also die Revolution kurz bevor? Ich denke nicht. Im Grunde sind solche Wahlen wie heute weitgehend belanglos. Interessant ist es dort, wo die Bürger einen Amtsinhaber loswerden wollen – weil er schlecht organisisert, arrogant auftritt oder einfach nur unsympathisch ist. Wer sich mit der Psychologie von Wählern beschäftigt, weiß, dass nur sehr selten ein Kandidat gewählt wird, weil die Menschen ihn unbedingt haben wollen. Machtwechsel finden regelmäßig dort statt, wo die Leute jemanden loswerden wollen.

Wie wichtig ist es für einen Bürger, ob da einer von der SPD oder der CDU, von FDP oder Grünen im Rathaus an der Spitze sitzt? Kommunalwahl – klar, da geht es wenigstens um die Mehrheiten in einem Parlament, um die ganze Richtung. Und jeder Kandidat trommelt in der Nachbarschaft, im Sport- oder Schützenverein seine Wähler zusammen. Aber ein Bürgermeister oder Landrat? Oft hat er in den entscheidenden Gremien eine Mehrheit anderer Parteien gegen sich. Gestaltungsfreiheit ist da wenig bis gar nicht. Man sucht Kompromisse, einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Bei der Postenvergabe gibt es mal einen Versorgungsjob für die einen, dann mal für die anderen. Unaufgeregt, langweilig – trotzdem notwendig. Und das alles in einem Bundesland, in dem Hunderte Städte und Gemeinden unter Aufsicht der Bezirksregierungen stehen, weil sie de facto pleite sind….

Nein, nein, die schlechte Wahlbeteiligung von heute sagt über den Zustand unserer Gesellschaft nichts aus, schon gar nicht über angebliche Politikverdrossenheit. Ganz im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die Deutschen lange nicht mehr so intensiv und leidenschaftlich über Politik sprechen, wie es derzeit geschieht. Der richtige Umgang mit den Flüchtlingen erhitzt die Gemüter in Deutschland so sehr, wie ich es seit dem Kampf um die Ostpolitik von Willy Brandt nicht mehr erlebt habe. Wäre heute Bundestagswahl, hätten wir eine Beteiligung der Bürger, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Da bin ich absolut sicher. Und ich fürchte, in mancher Parteizentrale der etablierten Parteien würde man keine Freude an den Ergebnissen haben. Aber das ist ein anderes Thema.

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