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Seit Mai 2012 schmückt eine Pietá des Düsseldorfer Künstlers Bert Gerresheim die Mönchengladbacher Pfarrkirche St. Marien.

Der aufrechte Stand der Gottesmutter

Sie ist 2,40 Meter hoch, wiegt gut 550 Kilogramm und zieht unmittelbar in ihren Bann: In der Rheydter Pfarrkirche St. Marien berührt eine Pietá des Künstlers Bert Gerresheim Kirchgänger und Besucher.

Das Mönchengladbacher Gotteshaus St. Marien hat in den vergangenen Jahren ihr Inneres gewandelt: Die katholische Pfarrkirche wurde nicht nur umfassend renoviert und hat eine neue Orgel erhalten. Sie ist auch Heimat eines besonderes Kunstwerkes. Seit Mai 2012 schmückt eine Pietá des Düsseldorfer Künstlers Bert Gerresheim den Kirchenraum. Eine Pietá, auch Vesperbild genannt, bezeichnet die Darstellung der Gottesmutter Maria als „Mater Dolorosa“, also als „schmerzensreiche Mutter“, die den Leichnam des soeben vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus in den Armen hält. Solche Darstellungen finden sich in den meisten katholischen Kirchen und sind der Kern des Gedächtnisses an den Schmerz Mariens, der nach dem liturgischen Kalender am 15. September begangen wird.

Gerresheims Pietá ist 2,40 Meter hoch und 550 Kilogramm schwer und steht, vom Altar aus gesehen, rechts neben den Stufen, die in den Chorraum führen. Das Besondere an der St. Marien-Pietá ist, dass es sich um eine stehende Gottesmutter handelt, die ihren ebenfalls aufrechten, obwohl am Kreuz gestorbenen Sohn umfasst. Sonst ist es seit dem 14. Jahrhundert üblich, eine sitzende Maria zu zeigen, in deren Schoß Jesus Christus liegt. „Wir sind daran gewöhnt, die Pietà mit der sitzenden Muttergottes und dem toten Jesus auf ihrem Schoß zu sehen. Gerresheim macht es anders“, sagte denn auch der emeritierte Münsteraner Weihbischof Heinrich Jansen, der der Einladung von Pfarrer Klaus Hurtz gefolgt war, in seiner Predigt: Seine Exzellenz zelebrierte den Gottesdienst und weihte die Pietá gemeinsam mit Pfarrer Klaus Hurtz und Subsidiar Manfred Riethdorf.

Doch warum diese Veränderung? Was mag die aufrechte Haltung der Figuren bedeuten? Maria steht hinter ihrem Sohn, umfasst ihn und stützt den toten Leib. Dieses Hinter-Ihm-Stehen drückt die ganze Bedeutung und Tiefe der Gottesmutter aus: Sie steht sowohl konkret als auch sprichwörtlich hinter ihrem Sohn mit seinen Wundmalen an Händen und Füßen, hat sich ihm ganz hingegeben und fängt ihn in allen Situationen mit ihrer ganzen Kraft auf. Erinnert dies nicht an die Hochzeit zu Kana, als Maria zu den Dienern sagt: „Was er Euch sagt, das tut.“ (Joh 2, 5)? Setzt sie nicht selbst diesen Befehl hier um, indem sie seine messianische Heiligkeit bekräftigt und auch im Tod hinter ihm steht? Sie legt ihn nicht in ihren Schoß, sondern bleibt mit ihm gemeinsam aufrecht und erhält ihn, indem sie ihn hält. Ihr aufrechter Stand ist sein aufrechter Stand, er weist voraus auf Auferstehung und Himmelfahrt auf der einen Seite und bedeutet die umfassende Annahme der Rolle Mariens als heiligste Magd Gottes. Diese Magd Gottes leistet den allerletzten aber zugleich allerwichtigsten Dienst an Gottes und ihrem Sohn: In der bittersten Stunde, der Stunde seines Todes, ist sie bei ihm und stützt ihn. Sie bleibt bei ihm und gibt ihm Kraft – die Kraft, stehen zu bleiben und nicht vor dem Tod auf den Boden zu gehen.

Natürlich: Diese Erfahrung ist die schrecklichste, die eine Mutter überhaupt machen kann! Und Mimik und Gestik Mariens drücken dies aus. Ihr Gesicht ist vom tiefsten Schmerz und Leid überhaupt verzerrt, in inniger Umarmung hält sie ihn. „Wir sehen den Schmerz der Muttergottes. Sie leidet. Maria erlebt den Tod ihres Sohnes. Wir erfahren durch dieses Kunstwerk, dass das tiefe Leid zum Leben gehört. Aber die Muttergottes bricht nicht zusammen, sie steht zu ihrem Sohn und hält ihn“, sagte der Weihbischof. Ein Aufruf an die Gläubigen, auch im Schmerz auf Jesus Christus zu vertrauen und ihn und sich nicht aufzugeben. Auch der Künstler selbst sprach ein Grußwort. Er forderte die Gottesdienstbesucher auf, mit den Augen zu beten, denn dann würde das Sehen zum Schauen. „Dann schenkt uns das Bild seine Botschaft“, und diese sei am Ende wieder tröstlich.

Die Pietá ist bereits das dritte Kunstwerk, das der international renommierte Bildhauer Bert Gerresheim für die Rheydter Pfarre St. Marien geschaffen hat: die Statue des Heiligen Franziskus vor der St. Franziskuskirche in Geneicken-Bonnenbroich und das Altarkreuz der Pfarrkirche.

Übrigens: „Mensch Gottes“ heißt das Buch, dass Pfarrer Klaus Hurtz als Hommage an Bert Gerresheim zum Anlass der Pietá-Weihe herausgegeben hat. In dem Band werden zahlreiche Fotos der Pietá vom Fotografen Carlos Albuquerque  gezeigt, und namhafte Autoren äußern sich in zahlreichen anspruchsvollen Beiträgen. „Mensch Gottes“ ist im B. Kühlen Verlag erschienen und kostet 25 Euro.

Bildquellen (Titel/Herkunft)

  • Pietá St Marien: Carlos Albuquerque

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