NRW – das Land der Familienunternehmer
Mehr als 25 Prozent der deutschen Familienunternehmen befinden sich in Nordrhein-Westfalen, darunter so große und renommierte wie Aldi, Haniel und Tengelmann. Doch was genau macht solche Unternehmen in Familienhand eigentlich so erfolgreich. Für den Branchenkenner und Rechtsanwalt Thorsten Klinkner liegt ein wesentliches Erfolgsgeheimnis in der langfristigen Eigentümerstruktur.
Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland und ist Heimat für weltweit erfolgreiche und höchst wichtige Unternehmen. Nach Zahlen des US-Wirtschaftsmagazins Fortune haben vier der hundert umsatzstärksten Unternehmen der Welt ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen, von den 30 DAX-Unternehmen sind es neun. Dazu kommt eine Vielzahl von Familienunternehmen, dem eigentlichen Rückgrat der deutschen Wirtschaft: 92 Prozent aller deutschen Unternehmen sind laut der Stiftung Familienunternehmen familienkontrollierte Unternehmen. Sie erzielen 51 Prozent der Umsätze und stellen rund 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen befinden sich mehr als 25 Prozent aller Familienunternehmen – damit ist das Bundesland dasjenige in Deutschland mit den meisten Familienunternehmen überhaupt. Die Bandbreite reicht dabei von milliardenschweren Konzernen wie Aldi, Haniel und Tengelmann über typische Mittelständler wie die Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz und die Veltins-Brauerei bis hin zu ungezählten regional gewachsenen Unternehmen.
Einer, der sich seit Jahren mit solchen Unternehmen beschäftigt, ist der Neusser Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner. Mit seiner Gesellschaft UnternehmerKompositionen (www.unternehmerkompositionen.com) begleitet er Familienunternehmer bei der Errichtung von Unternehmens- und Familienstiftungen und der Schaffung von langfristigen Eigentümerstrukturen. Diese langfristig angelegten Strukturen sind nach seiner Erfahrung der herausragende Grund, weshalb Familienunternehmen vielfach auf lange Sicht erfolgreicher und finanziell solider sind als andere Unternehmensformen.
Das Unternehmen langfristig erhalten und schützen
„Eine echte Eigentümerstruktur beruht auf klaren unternehmerischen Prinzipien einer Unternehmerfamilie. Familienunternehmen, die bereits seit mehreren Generationen bestehen, orientieren sich vielfach eher an der langfristigen, zukunftsorientierten Entwicklung als an kurzfristig gedachten Kriterien wie Wachstum und Gewinn. In arrivierten Familienunternehmen gilt als oberster Wert, das Unternehmen für die Familie zu erhalten und langfristig zu schützen“, erläutert Thorsten Klinkner.
Der Ansatz ist selten, über Schulden Wachstum zu erzwingen, sondern die Ertragsquelle über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg stabil und solide zu führen und zu entwickeln, wie eine aktuelle Studie der BHF Bank herausstellt. So ist der Studie zufolge ein starkes Unternehmenswachstum oft auch von einer steigenden Marktkapitalisierung begleitet. Zudem hätten Familienunternehmen mit 42,1 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalausstattung, und die Abhängigkeit von Banken sei offensichtlich verringert worden, schreiben die Studienautoren.
Fragestellungen, die für Unternehmer wichtig sind
Klinkner hat als Berater solcher Familien in ganz Deutschland die Erfahrung gemacht, dass für Familienunternehmer folgende Fragen im Vordergrund stehen: Wie schaffe ich es, dass das Unternehmen so über die Generationen hinweg geführt wird, wie ich es erdacht und selbst getan haben? Wie gieße ich meine ethischen und philosophischen Vorstellungen, die mit der Führung des Unternehmens eng verbunden sind, in eine feste Struktur? „Das sind die Fragestellungen, die Familienunternehmern wirklich wichtig sind. Sie wollen für ihr Unternehmen langfristig eine Struktur schaffen, die die wirtschaftliche Stärke ihrer Ertragsquelle erhält, aber gleichzeitig auch das Unternehmen an sich über die eigene Lebenszeit hinaus sichert – und zwar so, wie er hinterlassen wird“, sagt der Rechtsanwalt und Steuerberater. Er hat festgestellt, dass die Sorge um den Unternehmenserhalt Familienunternehmer oftmals wesentlich stärker umtreibt als kurzfristige finanzielle Schwankungen. „Sie wollen die familiäre Tradition wahren und in die Zukunft führen. Und das geht nicht, wenn der Fortbestand am fehlenden Nachfolger scheitert.“
Immer mehr Familienunternehmer setzen deshalb auf eine unternehmensverbundene Familienstiftung. „Sie kann als Instrument dazu dienen, die Besitzverhältnisse an einem Unternehmen so zu definieren, dass die Familie des Stifter-Unternehmers niemals an Einfluss verlieren kann. Die Leitlinien der Unternehmerfamilie zur Steuerung, Kontrolle und Weiterentwicklung des Unternehmens bleiben dauerhaft stabil. Sie erhalten mit der Stiftung ein ‚System’ und können gleichzeitig die Familie finanziell absichern“, sagt Thorsten Klinkner. Aldi sei ein gutes Beispiel für ein solches Konzept: Schon seit vielen Jahrzehnten liege das Gesamtvermögen des Konzern in der Siepmann-Stiftung und der Markus-Stiftung, Zweck dieser Stiftungen ist es sinngemäß, „die gemeinsamen Interessen der Angehörigen der Familie Albrecht zu wahren und zu fördern“. Damit hat der im vergangenen Sommer verstorbene Karl Albrecht die Nachfolge seines Firmenanteils geregelt, der Koordinierungsrat der Stiftung leitet die Geschäfte des Konzerns operativ.
Sei eine unternehmensverbundene Familienstiftung einmal Eigentümerin eines Unternehmens, könne dieses Besitzverhältnis nicht mehr aufgelöst werden, da die Stiftung selbst keine Eigentümer oder Anteilseigner hat. „Damit werden alle Situationen verhindert, die für das Ende eines Familienunternehmens sorgen können, seien es Erbstreitigkeiten oder auch Nachfolgeproblematiken.“
Bildquellen (Titel/Herkunft)
- Thorsten Klinkner: privat
- Zeche Zollverein: Matthias Duschner/Stiftung Zollverein(NRW Tourismus