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Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit: Nun ist es Zeit für einen kraftvollen Neuanfang in Düsseldorf

von DR. ULRICH WLECKE

DÜSSELDORF – Unter dem leider 2008 viel zu früh verstorbenen Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) war Düsseldorf wirklich schuldenfrei. Er privatisierte nicht betriebsnotwendiges Vermögen (RWE-Anteile und eine Mehrheitsbeteiligung an den Stadtwerken). 2007 wurde die Stadt schuldenfrei. Kostenlose Kindergartenplätze wurden flächendeckend angeboten und viele soziale Wohltaten eingeführt. Dirk Elbers (CDU) wurde Nachfolger Erwins. Düsseldorf hatte in ganz Deutschland einen sehr soliden und wohlhabenden Ruf. Dementsprechend sicher fühlte sich Elbers bei der Kommunalwahl 2014, doch er führte einen sehr schlechten Wahlkampf.

Bei der Düsseldorfer SPD war kein Anwärter für die OB-Kandidatur zu finden, denn die Genossen glaubten selbst nicht, diese CDU-Hochburg knacken zu können. Da griff Thomas Geisel zu und wurde zum OB-Kandidat der SPD für die Kommunalwahl 2014 gewählt. Ein für die Düsseldorfer SPD eher ungewöhnlicher Mann: Controller im EON-Konzern (Ruhrgas), ein Industriemann aus Essen. Studium u. a. in Washington und Harvard.

So schlecht Elbers‘ Wahlkampf war, so gut war der von Geisel. Und so wurde der jetzige Amtshinhaber gewählt. Aber im Rat hatte er zunächst keine Gestaltungsmehrheit. Da sprang die in Düsseldorf bis dahin eher bürgerliche FDP ein und bildete zusammen mit SPD und Grünen eine Ampelmehrheit, die Geisel stützte. Seitdem wird Düsseldorf links regiert, und manche denken, das könnte ja so weiter gehen.

Welche zukünftigen Ratsmehrheiten?

Die bisherige Ampelkoalition hätte auch nach der Wahl vom vergangenen Sonntag eine knappe Mehrheit von nur einem Mandat (46 von 90). Aber schon bisher hat die „Ampel“ nicht immer gehalten, da die FDP gelegentlich ausscherte. So wurde z. B. die Tour de France mit Stimmen rechter Kleinparteien zusammen mit SPD und Grünen gegen die FDP entschieden. Es erscheint fraglich, ob sich die neue Stadtregierung auf so eine „Wackelpartie“ einlassen sollte. Außerdem ist es fraglich, ob die im Rat deutlich größeren Grünen sich als Mehrheitsbeschaffer für SPD und FDP engagieren würden. Und letztlich erscheint zweifelhaft, ob die in Düsseldorf bisher bürgerlich auftretende FDP den Mehrheitsbeschaffer für Grün-Rot machen würde. Aber es ist nicht unmöglich.

Politisch ist das wichtigste Ergebnis:  Die SPD hat stark an Einfluss verloren. Von 41 Wahlkreisen hat die CDU 30 direkt gewonnen, die Grünen 10 und die SPD nur 1. Deutlicher kann man das neue parteipolitische Kräfteverhältnis in Düsseldorf nicht machen.

Bedeutsam ist auch, dass es keine linke Mehrheit gibt: Rot-Grün-Linke kämen zusammen nur auf 42 von 90 Sitzen.

Im neuen Rat sitzen die CDU mit 33,4 % (30 Mandaten), Grüne 24 % (22), SPD 17,9 % (16), FDP 9,2 % (8), Linke (ex SED) 4,1 % (4), AfD 3,6 % (3) plus Kleinparteien.  Für die Mehrheitsoptionen bedeutet dies: Schwarz-Grün hätte eine deutliche Mehrheit, Schwarz-Rot hätte eine knappe Mehrheit wie auch die Ampel.

Es stellt sich die Frage, ob es vorstellbar wäre, dass einige Kleinparteien zu einem größeren Bündnis dazustoßen. Es bräuchte für ein Linksbündnis noch mindestens vier weitere Mandate von mindestens zwei weiteren Gruppen. Das erscheint zweifelhaft, aber auch das ist nicht unmöglich

Zur OB-Wahl

Herausforderer Dr. Keller (CDU) hat die Stichwahl mit 34,2 % vor dem Amtsinhaber Tomas Geisel (SPD) mit 26,3 % deutlich gewonnen. Das Stimmergebnis von OB Geisel ist allerdings deutlich besser als das Wahlergebnis der SPD für den Stadtrat. Es fiel auf, dass Thomas Geisel in seinem Wahlkampf ohne Bezug zur SPD auftrat. Trotzdem stellt sich die Frage, wo der Amtsbonus des amtierenden OB geblieben ist.

Vor der Wahl galt als fraglich, ob OB Geisel überhaupt in die Stichwahl komme. Die Grünen hielten sich für stark genug, das Rennen in der Stichwahl zu machen. Spitzenkandidat der Grünen (Engstfeld, MdL) hat denn auch nicht für den Rat kandidiert. Er wollte einfach nur neuer OB werden.

Nun sind die Grünen klar zweite Kraft im Rat geworden, aber in die Stichwahl stehen sich Keller als Gewinner und der amtierende OB Geisel gegenüber. Vieles in Düsseldorf wird nun vom Ergebnis der Stichwahl abhängen. Ein Wahlgewinner Keller könnte wohl auch eine Mehrheit im Rat bilden. Sollte Geisel gewinnen, bliebe vieles im Unklaren. Er hätte dann im Rat keine stabile Mehrheit.

Was wäre nun zu tun?

Hierfür bietet sich die „Methode Erwin“ an. Ein klarer Kurs „der Vernunft und Solidität“. Düsseldorf könnte auch unter Corona-Bedingungen wieder schuldenfrei sein. Beteiligungen an der Messe, dem Flughafen, das Flughafengrundstück, der Stadtsparkasse und/oder verschiedener Immobilien könnten verkauft oder abgeschmolzen werden. So würde die Stadt Milliarden einnehmen.

Auf dem Papier präsentiert sich die Stadt Düsseldorf auch heute schuldenfrei. Das liegt daran, dass sie durch einen „Trick“ die Schulden i. w. auf andere städtische Gesellschaften (z. B. den Stadtentwässerungsbetrieb „SEBD“) verlagert hat. 2017 verkaufte die Stadt das städtische Kanalnetz an den SEBD für rund 600 Mio. Euro. Der SEBD hatte das Geld nicht und musste es sich leihen. Aber offiziell sind es keine Schulden der Stadt, sondern des (städtischen) SEBD. Angesichts der niedrigen Zinsen argumentieren viele Vertreter der „Ampel“, nun sei es sinnvoll, Schulden zu machen. Der Kapitaldienst spielt bei solchen Betrachtungen keine Rolle. Von einer Verringerung der Verschuldung oder einer Beendigung der Schuldenwirtschaft kann keine Rede sein. Das Geld wird weiterhin mit voller Kraft auf Pump ausgegeben. Unter der Ampelkoalition wurde hier – leider – nichts verbessert. Es ist alles noch schlimmer geworden.

Ein weiterer Aufreger in der Landeshauptstadt ist die Verkehrspolitik. Zum Verdruss vieler Düsseldorfer wird die Verkehrssituation immer schlimmer. Dazu haben auch die unsinnigen „Pop-up-Fahrradspuren“ beigetragen. Schon Joachim Erwin hatte zu Beginn seiner ersten Amtszeit als OB öffentlichkeitswirksam Verkehrshindernisse persönlich beseitigt (z. B. Poller weggeräumt). Das wurde von den Düsseldorfer Bürgern sehr positiv aufgenommen. Herr Keller sollte auch hierauf einen Schwerpunkt in seinem OB-Wahlkampf legen.

Was sonst noch wichtig ist

Der Düsseldorfer Stadtrat ist von 82 auf 90 Sitze angewachsen, durch Überhang- und Ausgleichsmandate. Der im Bundestag festzustellende Trend zum Wachstum der Mandate lässt sich auch auf kommunaler Ebene (nicht nur für Düsseldorf) feststellen.

Die Wahlbeteiligung stieg von 49,2 % (2014) auf 50,1 % (2020) und ist damit nach wie vor erschreckend niedrig. Viele Bürger scheinen sich nicht für Kommunalwahlen zu interessieren, obwohl sie sehr wichtig sind.

Die Stadt Düsseldorf z.B. hat die Größenordnung und Komplexität eines börsennotierten Großkonzerns mit 10.782 Stellen laut Stellenplan für 2020, über drei Milliarden EuroEinnahmen p.a. und über elf Milliarden Bilanzsumme (nur Stadt selbst, ohne wesentliche Beteiligungen, wie Stadtsparkasse, Messe, Flughafen, etc.).  Das sollte man nicht durch eine geringe Wahlbeteiligung unkontrolliert lassen.

Es ist auch ein Skandal, dass die Stadt Düsseldorf trotz dieser Größenordnung nicht extern geprüft wird, sondern durch die eigene Verwaltung (Rechnungsprüfungsamt). Der Rechnungsprüfungsausschuss (RPA) des Stadtrates, in dem Problemfälle besprochen werden sollen, tagt nur nichtöffentlich, obwohl es auch anders ginge. Das dort Besprochene unterliegt der Geheimhaltung. Das ist das Gegenteil von Transparenz.

Prozenthürde und kleine Parteien

Das Landesverfassungsgericht NRW hatte mehrfach Prozent-Sperrklauseln (5%, 3%) verboten. Begründet wurde das damit, dass durch die Direktwahl der OBs und Landräte die Verwaltungen nicht von der jeweiligen Ratsmehrheit abhängig seien. Allerdings haben die Räte dann andere Strategien der Ausgrenzung entwickelt: Einzelmandate sind möglich. Aber: Für den Fraktionsstatus bedarf es eines Stimmenanteils von knapp fünf Prozent (in Düsseldorf sind das vier Mandate). Als fraktionsloser Abgeordneter ist man quasi rechtlos. Man kann nicht einmal Anträge stellen, sondern darf nur abstimmen über Dinge, die andere beantragt haben.

Außerdem hat man die Einrichtung „kleiner“ Fraktionen (in Düsseldorf erfordert das drei Mandate) ermöglicht, die dieselben parlamentarischen Rechte haben wie die großen Fraktionen, denen aber nur die Hälfte von deren Mittelzuweisung zusteht. Die AfD hat überraschender Weise im neuen Düsseldorfer Stadtrat nur die Größe einer kleinen Fraktion erreicht.

Gemäß Haushaltsplan 2020 bekamen die Fraktionen CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und Tierschutz/FREIE WÄHLER (kleine Fraktion) 2.448.700 Euro Geld- und Personalmittel zugewiesen (siehe Vorbericht zum Haushalt, S. 72 ff.). Das sind erhebliche Summen, aus denen sich manches finanzieren lässt. Dazu kommt das Prestige als „Rathauspartei“. Außerdem erhalten die Fraktionen in den zehn Bezirksvertretungen in Summe nochmal ca. 0,5 Mio. € Mittelzuweisungen (s. Vorbericht zum Haushalt, S. 92 ff.)

Im neuen Düsseldorfer Rat sind derzeit sieben fraktionslose Abgeordnete: „Die Partei“ (Satire Partei) 2, Freie Wähler 1, Klimaliste 1, “Tierschutz hier!“ 1 sowie Volt 2. Es darf prognostiziert werden, dass sich wohl einige der fraktionslosen Abgeordneten zusammenschließen werden, um den Vorteil des Fraktionsstatus zu erhalten. Allerdings gilt, dass Zusammenschlüsse, die nur das Erreichen der Fraktionsgröße zum Ziel haben, nicht zulässig sind, sondern durch echte politische Gemeinsamkeiten begründet sein müssen. So wurde auch im letzten Rat die Bildung einer gemeinsamen Fraktion von Tierschutz und Freien Wählern zunächst untersagt.

Die Düsseldorfer Freien Wähler sind übrigens kein Bestandteil der Partei Freie Wähler, sondern eine unabhängige lokale Wählergemeinschaft. Die Fraktion Tierschutz/FREIE WÄHLER war zerstritten und stimmte in wichtigen Verkehrsfragen unterschiedlich ab: Tierschutz für Klimanotstand und Pop-up Radwege, Freie Wähler dagegen.

Dr. Ulrich Wlecke war in der vergangenen Legislaturperiode Ratsmitglied, zuletzt für die Freien Wähler.

 

 

Bildquellen (Titel/Herkunft)

  • Düsseldorf_Fassaden_Männchen: pixabay

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