„In meinem Arbeitszimmer hing natürlich ein Kreuz“ – Interview mit Armin Laschet
In einer Mitgliederbefragung können die etwa 160.000 CDU-Parteigänger in Nordrhein-Westfalen in diesen Tagen darüber abstimmen, wer ihnen als zukünftiger Landesvorsitzender lieber wäre: Bundesumweltminister Norbert Röttgen oder Ex-NRW-Integrationsminister Armin Laschet. Mit ihm sprach NRW.jetzt über das Konservative an sich.
Herr Laschet, der Christlichen Union sind in den vergangenen Jahren deutschlandweit mehrere Millionen Wähler abhanden gekommen. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Die politische Diskussionslage in Deutschland hat sich seit der Deutschen Einheit verändert. So lange es den Kommunismus als Gefahr gab, war die Position klar. Die CDU hatte feste Standpunkte, es wurden z. B. wichtige Fragen wie die Nachrüstung auch gegen starke Widerstände in der Bevölkerung durchgesetzt. Die soziale Marktwirtschaft war für die Union nicht verhandelbar. Aber die ideologische Teilung der Welt gibt es seit 1989 nicht mehr. Die großen Parteien sind näher zusammengerückt, es gibt de facto ein Fünf-Parteien-System, in dem durch Koalitionen viel Profil der einzelnen Parteien verloren geht. Und es gibt natürlich auch handwerkliche Fehler, wie wir sie zuletzt in Berlin erlebt haben.
Könnte der Wählerverlust auch etwas mit der Enttäuschung der konservativen Stammwählerschaft über den Kurs der CDU zu tun haben?
Ich glaube sicher, dass z. B. unsere katholischen Stammwähler noch immer treu die CDU wählen. Aber nicht zu vergessen, dass es auch in der katholischen Kirche viele Diskussionen über den Kurs und die Sorgen vor dem Schrumpfen der eigenen Milieus gibt.
Wie würden Sie denn heute den Begriff Konservativ definieren?
Es muss in grundsätzlichen Wertefragen ein gemeinsames Grundgefühl und Vertrauen geben, dann werden auch mal unterschiedliche Ansichten in Sachfragen verziehen. Nehmen Sie das Beispiel Helmut Kohl. Er hat mit Europäischer Einigung und Abschaffung der D-Mark vieles verändert, ist aber bis heute bei den Konservativen hoch angesehen. Es geht eben nicht darum, dem nachzuhängen was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt, zu gestalten. Wir dürfen politische Themen aber auch nicht nur technisch angehen, sondern müssen aus einer gemeinsamen Grundüberzeugung heraus diskutieren. Die Politik sagt mir zu oft: Es geht nicht anders, unsere Entscheidung sei alternativlos. Es gibt keine politische Ideen mehr dahinter, sondern nur noch Zahlen und Fakten. Die CDU muss aber ihren Mitgliedern und Wählern wieder eine echte Heimat, wieder eine politische Familie sein.
Sie selbst haben sich seit frühester Jugend in der katholischen Kirche engagiert. Was bedeutet diese Sozialisation heute für den Politiker Laschet?
Ich habe schon als Kind an den Ferienspielen unserer Pfarrgemeinde teilgenommen, war Messdiener und aktiv in einer katholischen Studentenverbindung. Heute gehöre ich dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. Der Glaube an Gott ist prägend für mein Verständnis der Welt. Wenn man daran glaubt, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, macht man auch Politik anders als z. B. ein Kommunist, der bis zu seinem Lebensende dringend mit allen Mitteln das Paradies auf Erden schaffen will. Ein Christ weiß, dass jeder einzelne Mensch seinen Wert und seine Würde hat, und dass nicht alle Menschen gleichgemacht werden müssen. Das ist Verpflichtung und Ansporn zugleich.
Für meine Zeit als Minister bedeutete dies, dass wir in NRW etwa die kirchlichen Kindergärten finanziell deutlich besser gestellt haben. Ich habe als eine meiner ersten Amtshandlungen als Familienminister dafür gesorgt, dass die katholischen Beratungsstellen, auch wenn sie keine Abtreibungsscheine ausstellen, wieder bezuschusst werden – anders als das vorher bei Rot-Grün war. Und natürlich hing in meinem Amtszimmer ein Kreuz, so wie ich es bis heute für falsch halte, wenn Kruzifixe aus öffentlichen Gebäuden entfernt werden.
Die Mitglieder der CDU in NRW sollen befragt werden, wer neuer Vorsitzender wird – Bundesumweltminister Norbert Röttgen oder Sie. Welche Vorzüge haben Sie ihm gegenüber?
Nordrhein-Westfalen ist ein großes Bundesland und der Industriestandort schlechthin. Wir haben den Anspruch, hier auch Dinge neu zu entwickeln, die Blaupause für den Bund sein könnten. Da muss man das Land bis ins Detail kennen, viele Begegnungen mit seinen Menschen erleben – nicht nur, wenn Wahl ist. Und das kann man besser, wenn man 100 Prozent für und in Nordrhein-Westfalen Politik macht.
Immer mehr Menschen gehen nicht mehr zur Wahl und verweigern sich dem Politikbetrieb insgesamt. Was wollen Sie tun, um diese Leute wenigstens teilweise zurück zu holen?
Das Vertrauen in Politik nimmt ab, und die Erwartung an Politik nimmt zu. Schuld daran ist unter anderem ein technokratischer Politikstil, der die Gefühle und Erwartungen der Leute völlig außer Acht lässt. Früher wurde begeistert über Politik diskutiert, die Menschen haben sogar Bundestagsdebatten aufmerksam verfolgt. Das ist heute anders. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, den Leuten wieder zu vermitteln, dass es Freude machen kann, sich politisch zu engagieren.
Was hat vor 30 Jahren den Ausschlag gegeben, dass Sie Mitglied der CDU geworden sind?
Ich war mit 15 das erste Mal bei einer großen Wahlveranstaltung mit Helmut Kohl, der mich total begeistert hat. Und dann das Volksbegehren gegen die Kooperative Schule 1978, bei dem ich erstmals richtig aktiv mitgemacht habe. Ein Jahr später bin ich in die CDU eingetreten.
Zum Abschluss würde ich gern ein paar Sätze beginnen, die Sie dann vollenden.
Na, dann mal los…
Helmut Kohl müsste man…
…im 20. Jahr der Deutschen Einheit wieder zum Ehrenvorsitzenden der CDU ernennen.
Um die Finanzen des Landes NRW zu sanieren, ist es notwendig…
…dass der Sparkurs der vergangenen Jahre konsequent fortgesetzt wird.
Dem Papst in Rom wünsche ich…
… dass er in Europa wieder genau so viel Begeisterung auslösen kann wie in anderen Teilen der Welt.
Schalke 04 wird in dieser Saison…
…eine tolle Champions League-Serie spielen.
Junge Leute sollten heutzutage…
…ihre einzigartigen Chancen nutzen, stärker mitzugestalten und sich einzumischen.
Kernkraftwerke würde ich…
… auf hohem Sicherheitsniveau länger laufen lassen.
Bildquellen (Titel/Herkunft)
- Portät Armin Laschet: CDU NRW