Ex-Botschafter Ischinger: „Müssen uns an unruhige Zeiten gewöhnen“
Duisburg – Die aktuelle internationale Lage stand im Mittelpunkt des diesjährigen Sommer-Unternehmertages, der im „Haus der Unternehmer“ in Duisburg stattfand. Wolfgang Ischinger (Foto), früherer deutscher Botschafter in den USA und heutiger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, diskutierte mit der regionalen Wirtschaft über die vielen Krisen und Konflikte weltweit. Der Einladung des Unternehmerverbandes waren rund 250 Gäste gefolgt, unter ihnen viele Mitgliedsunternehmer und Vertreter aus Politik und Gesellschaft.
Wim Abbing, Vorstandsvorsitzender des Unternehmerverbandes, begründete in seiner Begrüßung, warum es für die Unternehmer wichtig ist, den Blick über die Grenzen zu werfen: „Die deutsche Volkswirtschaft ist auf den globalen Märkten so stark präsent wie keine zweite.“ Die Globalisierung sei auch für die regionale Wirtschaft längst von einer Vision zur alltäglichen Praxis geworden.
Die Krise in der Ukraine, das Verhältnis zu Russland, der Vormarsch der Terrorgruppe IS und weitere Bürgerkriege in Nahost seien nur einige aktuelle Beispiele für Krisen, die auch die hiesige Wirtschaft belasten würden. Es gehe dabei aber nicht nur um die ökonomische Perspektive. „Wenn es um das Völkerrecht und die Verteidigung von zivilisierten Errungenschaften geht, müssen betriebswirtschaftliche Interessen auch ab und an zurückstehen“, so Abbing.
In seiner Gastrede betonte Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger, dass die derzeitige Weltordnung fragil sei. „Einiges ist aus den Fugen geraten“, so der Diplomat. „Uns wird derzeit vor Augen geführt, dass wir Außen- und Sicherheitspolitik nicht stiefmütterlich behandeln dürfen. Ein Leben in Frieden und Freiheit, an das wir uns glücklicherweise gewöhnen durften, ist kein Naturzustand“, betonte der einst engste Vertraute von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. „Europa als Insel der relativen Stabilität, und um uns herum Stürme, die wir weitgehend ignorieren – das kann so nicht funktionieren“, appellierte Ischinger an die Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für die weltweiten Herausforderungen. Ischinger warb für ein starkes Europa und eine starke Bande zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Man teile zivilisatorische Werte und sei nur gemeinsam stark.
Sowohl Ischinger als auch Abbing betonten vor diesem Hintergrund die großen Chancen des Freihandelsabkommen TTIP. Dies sei nicht nur von großer Bedeutung für die Arbeitsplätze, sondern auch für Sicherheit und Stabilität. Trotzdem kommt Ischinger insgesamt eher zu skeptischen Prognosen mit Blick auf die internationale Entwicklung. „Im Moment, so fürchte ich, ist etwas Pessimismus angemessen“, erklärte der ehemals höchste Repräsentant Deutschlands in den USA und in Großbritannien. Viele der Ordnungen und Sicherheitsstrukturen, in denen sich gerade Risse zeigen, würden in naher Zukunft eher schwächer als stärker. „Wir müssen uns leider an unruhigere Zeiten gewöhnen“, so das Fazit Ischingers.
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- 03-06-15_Unternehmertag_Ischinger: uv duisburg