Stresstest für Sicherheit: Zum Einsatz quer durchs ganze Land?
Von KLAUS KELLE
Düsseldorf/Köln – Die politische Aufarbeitung möglicher Fehler und Versäumnisse aus der Neujahrsnacht hat im Landtag gerade erst begonnen. Wer wann was gewußt hat, ist dabei fast nur ein Randthema, wenn der Untersuchungsausschuss beginnt, der Frage nachzugehen, wie die massenhaften sexuellen Übergriffe rund um den Kölner Hauptbahnhof möglich waren. Wer hat versagt?
Innenminister Ralf Jäger (SPD) informierte heute den Innenausschuss des Landtags über den Stand der Ermittlungen. Die Polizisten in Köln hätten in der Neujahrsnacht keinen Fehler gemacht, sie seien schlicht zu wenige gewesen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Bisher seien in Köln im Zusammenhang mit den Ereignissen 821 Strafanzeigen eingegangen, davon 359 wegen eines Sexualdelikts. Weitere Anzeigen gibt es in Düsseldorf (113), Dortmund (28) und Bielefeld (20). In Köln ermittele die Polizei gegen 30 Tatverdächtige, darunter 25 Marokkaner und Algerien. 15 Verdächtige seien Asylbewerber.
Landtagsabgeordnete wie der Innenausschuss-Vorsitzende Daniel Sieveke aus Paderborn haben indes Zweifel, ob die in der Neujahrsnacht angeblich angebotene Einsatzhundertschaft mit Kräften aus Aachen und Gelsenkirchen tatsächlich einsatzfähig war und zur Verfügung gestanden hat. Der CDU-Politiker will mit Blick auf die bevorstehenden Karnevalstage wissen, wie viele Kräfte die Polizei in Nordrhein-Westfalen tatsächlich im Fall gleichzeitig auftretender „Großlagen“ zur Verfügung hätte. Und: Welches Ergebnis würde ein „Stresstest für Sicherheit“ in NRW ergeben? Sieveke: „Was ist, wenn es kriminelle Ausbrüche wie in Köln in der Silvesternacht zeitgleich auch in zwei, drei weiteren Städten gegeben hätte?“
Die Frage scheint mehr als berechtigt, wie Recherchen von NRW.jetzt ergeben haben. Die Polizei verfügt in Nordrhein-Westfalen über insgesamt 18 Einsatz-Hundertschaften, von denen in der Regel eine in Bereitschaft steht. Die Landesleitstelle in Duisburg ist für die Organisation und Verteilung der Kräfte zuständig. An einem normalen Werktag mag die Besetzung ausreichen, wobei aus Polizeikreisen zu hören ist, dass häufig die Sollstärke nicht komplett, sondern nur zu zwei Dritteln vorhanden ist. Wird also zum Beispiel eine Einsatz-Hundertschaft aus Köln angefordert, müssen zunächst zusätzliche Kräfte aus Gummersbach oder dem Rhein-Erft-Kreis herangezogen werden. Dabei kann es durchaus sein, dass eine solche Anforderung aus – zum Beispiel – Münster oder Paderborn kommt, und Polizeikräfte dann tatsächlich erst einmal quer durchs Bundesland fahren, um zum Einsatzort zu kommen. Bei gleichzeitig auftretenden „Großlagen“ wie in der Neujahrsnacht in mehreren NRW-Städten, wäre die öffentliche Sicherheit mit den bestehenden Strukturen und Kräften nach menschlichem Ermessen kaum aufrecht zu erhalten.
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- Polizei bei einem Einsatz in der Innenstadt von Kln: fotolia