Strukturveränderungen bringen keine Sicherheit für die Bürger
Gastbeitrag von Wilfried Albishausen, Ehrenvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter
Anfang März war es wieder einmal soweit. Innenminister Ralf Jäger gab die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik 2014 für Nordrhein-Westfalen bekannt. Keine leichte Aufgabe für einen Politiker, der die Verantwortung für die Polizei als Teil der Inneren Verwaltung trägt. Immerhin müssen die Zahlen, Daten und Fakten gut aufbereitet werden, will man den Bürgern im größten Bundesland keinen Schrecken einjagen und der jeweiligen Opposition keine offenen Flanken bieten. Übrigens, das gilt für jeden Innenminister, egal welcher Partei er sein Amt verdankt.
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 2014 wurden durch die Kriminalpolizei 1,5 Millionen Straftaten bearbeitet, davon rund fast jede zweite Straftat aufgeklärt. Der Wohnungseinbruch ging dabei von rund 55.000 Fällen in 2013 auf rund 53.000 (-3,9%) zurück. Die Gewaltkriminalität sank um ca. 1,7% auf 46.174 Fälle, Betrugsfälle sind wiederum um 3% auf 253.000 Straftaten gestiegen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, bringt uns aber in der Frage, ob NRW ein sicheres Land ist, nicht weiter. Auch die in der PKS erfasste Zahl von rund 485.000 Tatverdächtigen und 226.000 Opfern von Straftaten trügt und vernebelt das Bild tatsächlicher Sicherheit oder Unsicherheit in NRW.
Jedem muss eigentlich auffallen, dass die Zahl der Opfer angesichts der 1,5 Millionen Straftaten wohl viel zu gering ist. Richtig, denn die PKS erfasst nur „Opfer“ bei Sexualstraftaten, Körperverletzungsdelikten oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Dagegen werden die „Opfer“ von Eigentumsdelikten als so genannte „Geschädigte“ nicht erfasst. Und auch die erfassten Tatverdächtigen werden aufgrund vielfältiger Kriterien, zu denen auch die oft kritisierten „Deals“ wie jüngst bei Edathy gehören, nicht zwangsläufig verurteilt und aus dem Verkehr gezogen. Da fällt es seitens des Justizministers Kutschaty nicht schwer, zu verkünden: „im Kittchen sind noch Zimmer frei“ und daraus die Konsequenz zu ziehen, Haftanstalten zu schließen und seinen Anteil am Sparpaket der Landesregierung zu leisten.
Die Entwicklung der Organisierten Kriminalität, der Internetkriminalität, der Wirtschaftskriminalität, des islamistischen Terrorismus, des Rechtsterrorismus, der Gewalt und Ausschreitungen im Bereich des Fußballs binden Polizeikräfte allerorten und zwingen täglich temporär, andere Deliktsfelder der Kriminalität zu vernachlässigen. Denn während allein die Anzahl der erfassten Straftaten seit 1992 um rund 200.000 Fälle zugenommen hat, ist die Zahl der Ermittler in NRW mit 8.300 nahezu unverändert geblieben. Ein nicht abzubauender Berg von zwei Millionen Überstunden zur Bewältigung des Tagesgeschäfts zeigt den Ernst der Lage. Wie diese Rechnung unter dem Aspekt „Sicherheit“ aufgehen soll, dürfte jedem schleierhaft bleiben. Da helfen auch nicht die in den letzten Jahren erhöhten Einstellungszahlen bei der Polizei, die aktuell medienwirksam noch einmal um 360 neue Stellen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus erhöht wurden. Wir werden dennoch aufgrund der Überalterung 2025 rund 4.000 Polizistinnen und Polizisten in NRW weniger haben. Und das bei weiter steigenden Anforderungen.
Nein, Nordrhein-Westfalen kann nur so sicher sein, wie die Politik bereit ist, dafür entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Wer glaubt, durch fragwürdige „Strukturveränderungen“ wie beispielsweise die Schaffung von nur wenigen großen Polizeibehörden personell und materiell an der Inneren Sicherheit sparen zu können, irrt gewaltig. Der ganz normale Bürger hat das Nachsehen, Kriminelle fühlen sich weiter eingeladen, uns zu besuchen…