NACHRUF Der Schauspieler, der auf einem Cover der „Bravo“ zum Star wurde, ist tot
Köln – Als raubeiniger „Tatort“-Kommissar Horst Schimanski (Foto) wurde er zum Liebling der Fernsehzuschauer: Am 19. Juni ist Götz George im Alter von 77 Jahren in Hamburg gestorben.“Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!“ Das ist der erste Satz von Götz George alias Tatort-Kommissar Horst Schimanski 1981. Damit schreibt er Fernsehgeschichte, denn so einen hat es bis dahin im deutschen Fernsehen nicht gegeben: einen raubeinigen Kommissar, der flucht und seinem Kollegen die Pommes wegfrisst – er wird zum Publikumsliebling und zum Sex-Symbol der Achtzigerjahre.
„Schimmi“ ist allerdings nur eine der vielen großen Rollen, die der gebürtige Berliner verkörpert. Ohne Frage, er zählt zu Deutschlands besten Schauspielern. Seine Spezialität ist, dass er keine hat. Er kann auch die Charmeure, Bösewichte, die Ernsten und die Psychopathen spielen. Über sechs Jahrzehnte ist George als Schauspieler tätig und wird für seine Leistungen immer wieder ausgezeichnet: Bambis, Grimme-Preis, Deutscher Fernsehpreis – die Liste ist lang. Die Rolle des schnoddrigen Ruhrpott-Kommissars Horst Schimanski machte Götz George in Deutschland endgültig zum Star. Doch George war weitaus mehr als Schimmi – in „Der Totmacher“ spielte er einen Serienmörder, brillierte in der Komödie „Schtonk“ – und spielte sogar seinen eigenen Vater.
Götz George stammt aus einer Schauspieler-Familie. Der Vater Heinrich George ist in der Weimarer Republik ein bekannter Darsteller und spielt auch in Propaganda-Filmen der Nazis mit. Trotzdem würdigt der Sohn das Talent seines Vaters. Heinrich George wollte übrigens nicht, dass seine Söhne Schauspieler werden. „Ein Genie in der Familie reicht“, soll er gesagt haben. 1946 stirbt der Vater in russischer Haft. Im Film „George“ spielte Götz seinen eigenen Vater Heinrich. Nach dem Tod des Vaters ändert sich für die Familie alles. „Aus einem behüteten Haus mit Chauffeur und Hausangestellten wurde ganz schnell ein neues Leben ohne Vater, ohne Villa, ohne alles“, sagt George rückblickend. Als Elfjähriger steht er das erste Mal im Berliner Hebbeltheater auf der Bühne. Der Druck führt zum ersten Magengeschwür. Zehn Jahre später geht er auf Rat seiner Mutter ans Theater in Göttingen, um sich den schauspielerischen Feinschliff anzueignen.
Anfang der Sechzigerjahre folgt ein Auftritt im Karl-May-Film „Der Schatz im Silbersee“. George wird zum Star auf der Titelseite der Jugendzeitschrift „Bravo“. Eine Düsseldorfer Zeitung notiert 1963 einen Sonderapplaus für seinen „flotten Sprung aufs Pferd“. George wird immer sein eigener Stuntman bleiben: „Ich habe ja bereits früh die meisten meiner Stunts selber gemacht. Einige Male hätte nicht viel gefehlt und es wäre aus gewesen“, sagt er später.
Bei der Bambi-Verleihung 1962 funkt es zwischen George und der Schauspielerin Loni von Friedel. Die beiden heiraten 1966, lassen sich jedoch zehn Jahre später scheiden. Sie haben eine gemeinsame Tochter, Tanja, die in Australien lebt. „Wir haben ein sehr gutes, inniges Verhältnis, weil wir uns sehr ähnlich sind“, sagt George über das Verhältnis zu seiner Tochter in einem Interview 2008.
Zwischen 1968 und 1977 dreht George keinen Spielfilm. Erst 1977 wirkt er in der Rolle des Auschwitz-Kommandanten Franz Lang in der Nazi-Milieustudie „Aus einem deutschen Leben“ mit. Diese Rolle gilt als Durchbruch für seine Karriere: „Viele jüngere Kritiker, TV-Redakteure und Regisseure entdeckten Götz George erst mit dieser Rolle als fulminanten Charakter-Darsteller“, urteilt die Berliner Zeitung.
Die Siebziger seien für George eine Reihe von Wartesälen gewesen, formuliert es Biograf Torsten Körner – die Achtziger dagegen die „schönsten, anstrengendsten und erfülltesten Jahre seines Lebens“. Kein Wunder, denn 1981 beginnt die Ära Schimanski. Eigentlich will Schimanski-Erfinder Bernd Schwamm die Rolle mit einem anderen Schauspieler besetzen. Aber schließlich bekommt George doch einen Anruf vom Produzenten. Dem erklärt er am Telefon, was ihm an deutschen Krimiserien nicht gefällt. „Herr George, das ist genau unser Konzept“, sagt der Produzent. „Und vom ersten Schimanski-Drehbuch, das er mir zuschickte, war ich begeistert“, erinnert sich George später. „Man kann kaum übertreiben, wenn man die Bedeutung dieser Figur beschreiben will“, stellt die Berliner Zeitung fest.
Die BILD-Zeitung zählt, wie oft der neue Duisburger Kommissar „Scheiße“ sagt und die Polizei Duisburg entwirft einen standardmäßigen Antwortbrief auf die zahlreichen Beschwerden zu „Schimmis“ Verhalten im Dienst. Wahrscheinlich deswegen denkt Hajo Gies, Miterfinder der Figur: „Wir machen drei Folgen und werden dann rausgeworfen.“ Aber der aufmüpfige und proletarische Ermittler wird zur Erfolgsfigur. 1991 gibt es die letzte Folge Tatort-Folge mit Schimanski: Auf einem Gleitsegler fliegt er über Duisburg.
Sechs Jahre später kehrt er als Schimanski ins Fernsehen zurück. In der Zwischenzeit etabliert er sich als Filmschauspieler – als schmieriger Reporter in „Schtonk!“ (1992) etwa, als Serienmörder in „Der Totmacher“ (1995) oder Taschendieb in „Das Trio“ (1998). Lauter Paraderollen, die seine geradezu legendäre Bandbreite widerspiegeln. Egal ob KZ-Arzt, Kauz oder Klavierlehrer; ob im Fernsehen oder im Kino: Sein Spiel ist „hinreißend“, heißt es, und er werde „im Alter immer besser“.
Nachruf vom Westdeutschen Rundfunk
Bildquellen (Titel/Herkunft)
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