Krise als Chance auf einen Neuanfang

Georg F. Kreplin ist Insolvenzverwalter und Sanierungsexperte aus der Düsseldorfer Kanzlei Kreplin & Partner (www.kreplin-partner.de). Er spricht im Interview über die aktuellen Aussichten bei den Unternehmensinsolvenzen und berichtet über die Rettungsfunktionen der Insolvenzverwalter.

Herr Kreplin, geht es der Wirtschaft gut, gibt es wenige Insolvenzen. Schwankt die Wirtschaft, steigen auch die Pleiten. Stimmt das so?

Georg Kreplin: Grundsätzlich kann man das tatsächlich so sagen. In Zeiten einer stabilen Konjunktur sind die Unternehmen oftmals auch besser mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Einfach aus dem Grund, dass sie durch gute Geschäfte mehr verdienen. Das Bild dreht sich dann aber schnell in einer konjunkturellen Delle, wie wir in der Vergangenheit immer wieder feststellen konnten.

Das heißt also, dass aktuell nur wenige Unternehmen insolvent sein sollten. Schließlich geht es uns wirtschaftlich doch gut.

Georg Kreplin: Seit der Finanzkrise in 2009 hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen jedes Jahr weiter reduziert. 2014 beispielsweise waren es bundesweit sechs Prozent weniger als im Jahr zuvor mit insgesamt rund 26000 Fällen. In 2015 jedoch könnte die Zahl der Insolvenzen erstmals seit Jahren wieder steigen. Das liegt daran, dass das ökonomische Umfeld zwar grundsätzlich noch gut ist, aber die Aussichten unsicher sind – niemand weiß, wo es mit Niedrigzins und geopolitischen Risiken noch hingeht.

Sie sind also pessimistisch?

Georg Kreplin: Nein, die prognostizierte Erhöhung der Insolvenzzahlen ist sicherlich kein langfristiger Trend. Ich gehe künftig, vor dem Hintergrund der mittelfristig stabileren Konjunktur, von einem weiteren Rückgang der Unternehmensinsolvenzen aus.

Insolvenz, das klingt immer sehr final, und zahlreiche Pleiten haben traurige Berühmtheit erlangt, da sie mit Massenentlassungen verbunden waren. Ist die Zahlungsunfähigkeit immer das Ende?

Georg Kreplin: Mitnichten, mit einer Insolvenz muss nicht „Schluss“ sein. Insolvenzverwalter sind heute immer auch Sanierungsexperten, die die Gläubiger zufrieden stellen müssen, gleichzeitig ein Unternehmen aber durch strategische Entscheidungen wieder in die richtige Spur bringen wollen. Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens ist es, dass der Betrieb zukunftsfähig neu aufgestellt wird. Dazu gehört es natürlich auch, Arbeitsplätze so gut es geht zu erhalten. Aber leider ist das nicht immer möglich, wie die Erfahrung zeigt.

Das heißt also, dass Sie als Insolvenzverwalter die Geschäftsführung übernehmen?

Georg Kreplin: Ja, wir treten in die Verantwortung und steuern das Unternehmen mit unserem Spezialistenteam, vom Einkauf über die Buchhaltung bis hin zum Vertrieb und Personalwesen. Wenn wir Einblick in alle Strukturen genommen haben, gehen wir die nächsten Schritten an: Können Unternehmensteile verkauft werden? Gibt es die Möglichkeit für Fusionen? An welchen Stellen sind Management-Fehler gemacht worden? Haben wir das alles beantwortet, sehen wir, ob sich ein Unternehmen künftig neu führen lässt oder es liquidiert werden muss.

Der Vorwurf, der Insolvenzverwaltern gemacht wird, lautet ja häufig, dass sie schnell liquidieren, um zügig ein hohes Honorar einzustreichen.

Georg Kreplin: Das ist natürlich falsch. Wir versuchen immer, über die Sanierung eine Lösung zu finden. Denn eine gute Lösung für den maroden Betrieb bedeutet in der Regel auch immer die maximale Befriedigungsquote für die Gläubiger. Das ist schließlich unser gesetzlicher Auftrag. Nichts anderes.

Das beantwortet nicht unbedingt die Frage nach den teilweise hohen Honoraren.

Georg Kreplin: Sie zielen auf einige prominente Beispiele ab, in denen Millionensummen geflossen sind, die aber bei verständiger Würdigung aller Umstände gerechtfertigt wirken. Eine Kanzlei setzt bei großen Verfahren substanziell Personal über eine sehr lange Zeit ein, und es müssen mit einem hohen Maß in kürzester Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Das alles muss erst einmal aus dem Honorar finanziert werden. Da bleibt für den Insolvenzverwalter selbst häufig nur ein sehr viel kleinerer Betrag übrig. Und bei normalen Verfahren, die die überwiegende Anzahl der Insolvenzen ausmachen, sind auch die Honorare entsprechend angepasst.

Den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, ist sicherlich ein großer Schritt für einen Unternehmer. Verstärken sich dadurch manche Probleme?

Georg Kreplin: Niemand gesteht sich gerne ein, dass er in echten wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Aber es ist niemandem geholfen, wenn davor die Augen verschlossen werden. Stellt ein Unternehmer in einer solchen Situation früh genug den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahren, kann Schlimmeres häufig verhindert werden. Dann ist die Krise nicht das Ende, sondern die Chance auf einen Neuanfang.