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Die Jagdhaus-Posse – Kein Waidmannsheil im Bibertal

Wilhelm Tell hatte es schon früh erkannt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!“ Unter diesem Motto spielt sich im beschaulichen Bibertal zu Rüthen im schönen Sauerland nun schon seit Jahren eine Fehde um die Jagdhäuser an der Försterwiese ab. Man könnte sie als Provinzposse abtun, müssten sich nicht seit nunmehr acht Jahren fortlaufend Gerichte, Behörden und Stadträte auf Kosten der Steuerzahler damit beschäftigen.

Protagonist und Hauptdarsteller in der Sache ist der in Rüthen gut bekannte, inzwischen über 75-jährige, Zement-Unternehmer Karl Seibel, der als freundlicher Herr, unterhaltsamer Gastgeber und Jagdherr gilt, in der eigenen Industrie und Familie jedoch durchaus auch als streitbar. Er ist ambitionierter Jäger mit großem Jagdrevier im Rüthener Bibertal, an dessen Rand er auch wohnt. Corpus Delicti sind die Jagdhäuser im Bibertal – genauer: ein Jagd- und ein Forsthaus – seines Jagd-Nachbarn Michael Bommers, ebenfalls Unternehmer, ebenfalls Pächter eines großen Jagdreviers in Rüthen.
Aber wie fing es eigentlich an? Der Großvater von Michael Bommers, Konsul Peter Rehme, hatte als Pächter der Reviere im Bibertal im Jahre 1960 dort von der Stadt Rüthen ein Waldgrundstück erworben und darauf ein Jagd- sowie ein Forsthaus errichtet. Wie üblich bei derartigen Gebäuden im Außenbereich hatte sich die Stadt Rüthen ein Rückkaufsrecht beim Generationswechsel oder beabsichtigten Verkauf vorbehalten. Im Jahre 1978 verstarb Peter Rehme. Seinerzeit verzichtete die Stadt Rüthen gegen Zahlung auf den Rückkauf der Jagdhäuser und verlängerte den bestehenden Vertrag mit der Familie von Herrn Bommers auf Lebzeiten seiner Mutter. Gleichzeitig verständigte sich die Familie mit Herrn Seibel darauf, dass er die Pacht der Rüthener Reviere des Großvaters übernähme und gestattete ihm die Jagdbewirtschaftung von dem im Besitz der Familie verbleibenden Försterhaus.

Verträge wurden nicht schriftlich gefasst. Seinerzeit galten noch das Wort und der Handschlag. Über 25 Jahre hatte jede Familie ihr Jagdrevier, jede ihr Jagdhaus, und sie hätten friedlich bis an ihr Lebensende so weiterleben können, wenn nicht … ja, was passierte dann? Im Jahre 2002 besuchte Herr Bommers Herrn Seibel in seinem Rüthener Haus am Heidberg, um ihn über sein Vorhaben zu unterrichten, die Jagdhäuser von seiner Mutter schon jetzt zu erwerben, um sie dann grundlegend renovieren zu können. Laut Bommers sicherte Karl Seibel damals seine volle Unterstützung zu, anschießend tat er jedoch genau das Gegenteil.

Und so forderte Herr Seibel von der Stadt, sie solle von ihrem Rückkaufsrecht Gebrauch machen und die Häuser anschließend an ihn verpachten. Er würde dafür größere Summen investieren und, nebenbei bemerkt, auch einen schönen sechsstelligen Betrag für soziale Zwecke spenden.

Ein Schelm, wer hier an den Versuch einer gekauften Ratsentscheidung denkt, nein, Herr Seibel sieht sich als Wohltäter der Stadt und lässt sogar mit Hilfe der Opposition im Stadtrat ein Gutachten erstellen, mit dem Ergebnis, dass die Ratsentscheidung pro Bommers der Stadt einen Schaden von 400.000 Euro zufüge, da sie ja auf Seibels versprochene Zuwendungen verzichte. Die CDU-Mehrheit im Rat kontert energisch im Wahlkampf, man wolle nicht den Eindruck erwecken, dass man sich Entscheidungen abkaufen lasse.

Und Seibel braucht dieses Jagdhaus. Kein anderes, auch keines an einem anderen, nahegelegenem Ort, was die Stadt ihm anbietet. Es muss genau dieses sein. Und dabei fährt er schweres Geschütz auf: Sein Nachbar Bommers würde gar nicht wirklich jagen, und das Haus hätte auch noch ein Schwimmbad, das baurechtswidrig errichtet worden sei. Die örtliche Presse kommt derweil auch in Stimmung: „Schwimmen statt Jagen!“, der Skandal ist perfekt.

Im Jahre 2007 entscheidet der Stadtrat von Rüthen, auf das Rückkaufsrecht zu diesem Zeitpunkt zu verzichten. Durch den notariellen Vertrag im Mai 2007 hat die Stadt Rüthen nun erneut das Recht, vom neuen Eigentümer Bommers unter ähnlichen Bedingungen wie zuvor, spätestens aber in 25 Jahren, die nun renovierten Jagdhäuser zurück zu kaufen. Für alle eine gute Lösung – außer natürlich für Herrn Seibel, denn er ging leer aus.

Somit war der Grundstein für eine öffentliche Auseinandersetzung gelegt, die bis heute andauert. Mehr noch: Unternehmer Seibel wirft der damaligen Mehrheit der CDU im Stadtrat Bestechlichkeit vor. Sie habe sich kaufen lassen vom Unternehmer Bommers. Nicht, dass es dafür irgendeinen Hinweis oder gar Beweis gäbe. Nichts. „Ich würde jederzeit eine eidesstattliche Versicherung darüber abgeben, dass kein Cent geflossen ist und keinerlei Vorteile gewährt wurden“, sagt Michael Bommers. Und auch die CDU streitet jeden Bestechungsversuch ab. Dennoch bleiben die Behauptungen im Raum, erscheinen Artikel, die Seibels Version neu befeuern, der doch selbst hohe Summen zahlen wollte, wenn man zu seinen Gunsten entscheidet. Er schaltet im Kommunalwahlkampf 2009 Beilagen in den Lokalblättern, lässt Flugblätter verteilen, greift öffentlich und persönlich die CDU und ihren Bürgermeisterkandidaten im Wahlkampf an. Um seine Vorwürfe und Forderungen immer wieder zu erneuern, klagt er vor Gericht. Alles bleibt bis heute erfolglos.

Besonderes Steckenpferd in der öffentlichen Kampagne: Das angebliche „Schwimmbad“, das das Jagdhaus in ein Ferienparadies verwandelt haben und damit bis heute zur Zweckentfremdung des Hauses beitragen soll. Dabei scheute Karl Seibel auch nicht davor zurück, ohne die Erlaubnis von Hauseigentümer Bommers auf dessen Grundstück Fotos anfertigen zu lassen, die das Ferienparadies mit Pool dokumentieren sollen. Doch die Bilder zeigen nicht etwa Jäger, die in flagranti beim Plantschen erwischt werden – nein, sie zeigen eine Abstellkammer und eine Pumpe. Denn mehr gibt es offenbar nicht zu fotografieren von dem Schwimmparadies. Es ist lange außer Betrieb, existiert einfach von früher und ist einst mit allen erforderlichen Genehmigungen errichtet worden. Das weiß Herr Seibel natürlich. „Genau genommen hat das Becken in diesem Jahrtausend noch keinen Tropfen Wasser gesehen, und dabei bleibt es auch“, sagt Eigentümer Bommers.

Die Bauaufsicht in Soest hat nun im Februar 2011 das von Karl Seibel geforderte bauordnungsbehördliche Einschreiten gegen die aus seiner Sicht baurechtswidrige Nutzung des Jagdhauses Bommers abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat Seibel Klage beim Verwaltungsgericht in Arnsberg erhoben. Die Posse soll also weitergehen, obgleich nicht ernsthaft zu bezweifeln ist, dass die Brüder Peter und Michael Bommers ebenso wie drei ihrer Söhne mit großer Passion in Rüthen dem Jagdwerk nachgehen. Sein Vorwurf, Familie Bommers brauche gar kein Jagdhaus, weil man bade, statt zu jagen, wird allein schon durch die akribisch geführten Jagdbücher der Bommers widerlegt. Diese dokumentieren recht anschaulich, dass es tatsächlich einen guten Grund gab, das Jagdhaus „An der Försterwiese“ nach 50 Jahren zu renovieren.
Auf unsere Anfrage lässt Karl Seibel seinen Anwalt, Dr. Stefan Altenschmidt, Stellung nehmen. Der eigentliche Skandal sei demnach, „dass der Kreis Soest hier nicht einschreitet“. Deswegen bleibe seinem Mandanten nur der Klageweg. Man wolle den Kreis Soest zum Handeln zwingen, damit er untersage, dass Jagdhäuser als Ferienhäuser mit Hallenschwimmbad genutzt werden dürften. Da ist es wieder, das Schwimmbad. Im Gespräch räumt Anwalt Altenschmidt zwar ein, dass dieses einst mit allen erforderlichen Baugenehmigungen gebaut worden sei, „was aber nicht heißt, dass diese rechtmäßig erteilt wurden“.

Mit idyllischer Waldruhe ist demnach in absehbarer Zeit im Bibertal wohl nicht zu rechnen.

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