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„Das Öffentlich-Rechtliche System hat keine Zukunft“

Bonn – Das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg widmet sich seit über 60 Jahren der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung auf Basis der Katholischen Soziallehre. Das Institut ist kein Think Tank in dem Sinne, dass es Lösungen für Probleme und Fragen der Zeit entwickelt. Vielmehr bringt es regelmäßig Fachleute zusammen, die jenseits des gesellschaftlichen Mainstreams Kluges zur öffentlichen Debatte beisteuern.

Mehr als 200 Gäste folgten gestern der Einladung von Pater Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels um über Qualitätsverluste und Parteilichkeit beim Öffentlich-Rechtichen Rundfunksystem in Deutschland zu diskutieren. Und über die Zwangsgebühren, versteht sich. Die Referenten waren sich im alterwürdigen Hotel Bristol in Bonn schnell einig, dass das bisherige System der zwangsfinanzierten Sender höchst reformbedürftig ist. Nur der frühere stellvertretende Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ (BamS), Dr. Nikolaus Fest, scherte aus. „Ich glaube nicht an die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, bekannte er freimütig, schlug dann aber vor, dass wenn es schon ein solches System geben solle, es direkt vom Staat organisiert werden müsse. Die Programmverantwortlichen sollten dann von politischen Gremien gewählt werden – turnusmäßig, damit es auch klare Verantwortlichkeiten gibt. Finanziert werden solle alles direkt aus dem Steuersäckel. Diese forsche These beherrschte fortan die Diskussion auf dem Podium und und unter den Gästen. Fest definierte, was der Sinn öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten sein soll: „Grundversorgung ist im Wesentlichen Bildung!“ Mit launig vorgetragenen Beispielen machte der frühere Boulevardjournalist deutlich, woran es krankt. Der 400. Todestag von Wilhem Shakespeare etwa (3.5.1616) habe in den öffentlich-rechtlichen Sendern Deutschlands nicht stattgefunden. Anders als zum Beispiel die britische BBC hätten ARD und ZDF die Chance vermasselt, junge Leute an den großen Dramatiker, Lyriker und Schauspieler heranzuführen. Fest geisselte die politischen Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: „Die amerikanische Serie ‚House of Cards‘ informiert besser über die Mechanismen politischer Machtspiele als deutsche Talkshows.“ Und wenn es um Wissenschaft gehe, empfehle er „Galileo“ auf ProSieben und die Dokumentationen auf N24 – beides Privatsender.

Und so geriet der Nachmittag in Bonn zu einer grandiosen Abrechnung mit einem System, das man zwar nicht komplett missen will, dass sich aber im Laufe der Jahrzehnte überlebt hat. Der langjährige Deutschlandfunk-Redakteur und Moderator Jürgen Liminski schilderte aus eigenem Erleben die parteipolitischen Ränkespiele. Bei Themen wie Familie und Religion lebten die meisten deutschen Journalisten „in einer Parallelwelt“. Und weiter: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Wahrheit gepachtet, ohne die Wirklichkeit zu kennen.“

Dr. Hugo Müller-Vogg, früher FAZ-Herausgeber, beleuchtete die Desinformation, die gerade im Zusammenhang mit der über Monate die Sender beherrschenden Flüchtlingsthematik. Das Standardfoto von Flüchtlingen im Fernsehen seien „zwei Frauen und zwei Kinder“ gewesen. Die Botschaft sei dann gewesen: „Wer dann noch sagt, wir können nicht alle bei uns in Deutschland aufnehmen, ist ein herzloser Mensch.“ Überhaupt finde politische Beeinflussung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mehr durch Unterhaltung als durch Information statt. Müller-Vogg: „Man kann doch in keinem Krimi je noch einen anständigen Unternehmer finden.“ Und der unsympathischte Mensch aus der „Lindenstraße“ sei Else Kling gewesen, die in die Kirche ging und CDU wählte.

Bildquellen (Titel/Herkunft)

  • Walberberg_20160501_185421 (3): KelleCOM

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